Vorwort
Im Jahre 1975 beendete Joseph Weizenbaum sein Hauptwerk "Die Macht der Computer und die Ohnmacht
der Vernunft ", und in dem folgenden Jahr nahm ich das Studium der Informatik auf. Natürlich nicht wegen
dieses Buches, sondern wegen eines Mädchens, das Christiane hiess.
Im Jahre 2008 ist Joseph Weizenbaum dann gestorben, und ich bin nun,
einige Jahre später, in den Ruhestand getreten.
Der Kampf um Stalingrad ist zu Ende. Ihrem Fahneneid bis zum letzten Atemzug getreu ist die 6. Armee unter der vorbildlichen Führung des Generalfeldmarschalls Paulus der Übermacht des Feindes und der Ungunst der Verhältnisse erlegen.
Radiomeldung vom 3. Februar 1943
Roy Batty hatte ein kurzes Leben mit viel Berichtenswertem; so etwas habe ich nicht zu bieten. Bis vielleicht ausser, dasss ich ein Thema wieder aufgreife, das ich seinerzeit speziell für die Fotografie bearbeitet habe und nun verallgemeinern könnte - vom Speziellen zum Allgemeinen. Es ist nun an der Zeit, zwecks Verallgemeinerung etwas wieder aufzugreifen, was ich seinerzeit speziell für die Fotografie schrieb.
Ihnen möchte ich mit diesem Text Denkanstösse liefern, Ihre Erfahrungen auswertend zu ordnen und so den Aufbruch zu neuen Ufern vorzubereiten; Möglichkeiten anbieten, sie aus der Passivität herauszureissen und aktiv werden zu lassen. Gerade der Einsteiger – aber auch der in einer Sinnkrise steckende Fortgeschrittene – fragt ja häufig verzweifelt, was er denn tun solle? Denken, ist meine Antwort. Erst sich bedenken, dann nachdenken, dann vordenken. Vor allem: Voraus, wenn nicht gar vorausschauend denken. Nötigenfalls auch: Umdenken. Auf jeden Fall jedoch: Selber denken!
Michael Albat In allen schweren Lebenslagen
Mein Leben lang, bis heute, habe ich ein Kommunikationsproblem.Und, da kann man jeden fragen, bin ich allein daran Schuld. Und nachdem nun damit ein jeder die dringenste (drängenste?, vordringlichste?, vordränglichste?) Frage Kann man mich dafür verantwortlich machen? und auch die wichtigste Frage Wen kann man sonst dafür verantwortlich machen? klar und eindeutig beantwortet ist, kann ich mich herzlich dankend von all den Lesern verabschieden, die der Meinung sind, dass die Schuldfrage die eigentliche Frage ist. Wer jetzt noch lweiter iest, muss sich der kleinen Minderheit der Zögerer und Zweifler zurechnen lassen. Mutige und Tüchtige sehen anders aus! Aber schon ganz anders!
Tannhaeuser soll vom Denken selbst bererichten.
Ein Thema, eine Aufgabe taucht auf; geschrieben oder gesprochen, gerührt oder geschüttelt; nebulös, diffus und unbestimmt, und ruft ein Gefühl der kognitiven Dissonanz hervor:
... irgend etwas stimmt hier doch nicht ...
... so kann es doch nicht richtig sein ...
... da wurde doch was übersehen ...
... der zieht mich doch über den Tisch ...
... der lügt mich doch an
In der Fotografie ging es mir damals so, als mir der schöne Satz Regeln sind zum Brechen da! voller Inbrunst, Leidenschaft und Überzeugung entgegengeschleudert wurde, als ich im aufkommenden Internet einiges aus der Ideenwelt des Andreas Feininger vorstellte. Und obwohl mir der Denkansatz eigentlich symphatisch ist. Zu einer Lösung kam es erst dann, als ich bei Andreas Hurni die Rollenverteilung in der Fotografischen Kette kennenlernte: Feininger ging es nicht um den Fotografen (zum Zeitpunkt des Auslösens), sondern es ging ihm um die Gefühle des Betrachers. Feiniger stellte Gesetze der Bildwirkung vor; und die sind eher mit den Naturgesetzen verwandt als mit der Strassenverkehrsverordnung. Diese Gesetze lassen sich nicht brechen - höchstens ein wenig dehnen. Regel oder Gesetz ist hier ein missleitender Begriff; der erst im Zusammenspiel mit anderen Begriffen eine klärende Bedeutung erhält.
Wir müssen uns auf eine gemeinsame Sprechweise einigen.
Das heisst, Sie nehmen meine an.Ein Professor
Zur Klärung, zur Aufklärung ist eine Begriffswelt (oder Terminologie oder Sprechweise) nötig. Wenn ich hier meine vorstelle, dann aber nicht, weil Sie diese annehmen sollen. Sondern um ein Beispiel zu geben, wie man sich eine solche Begiffswelt - für seine(!) Bedürfnisse - herrichtet. (Ich betrachte mich dann als besonders erfolgreich, wenn man mich als Beispiel betrachtet, wie man es nicht machen soll.Und ein Sondern anfügt.)
Im zeitlichen Ablauf geht es zunächst: Wie anfangen, wie "es" anfangen; wo ist ein Ansatz? Dann: Worauf achten, wovor sich hüten? Hier gilt es, sich einen Fundus an "reservierten Begriffen" (und allerlei verwandten Begriffen dazu) bereitzulegen, und beim Auftauchen eines solchen Begriffs die als nötig erachten Klärungen vorzuhehmen.
Tannhaeuser richtet sich an jemanden, dem es in seiner Unmündigkeit nicht oder nicht mehr gefällt. Auch in der damaligen Schrift über Fotografie wurde im Vorwort über die Aufklärung gesprochen:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Aus Was ist Aufklärung? bei wikipedia
Der grosse Vorteil besteht darin, dass die Beispiele "des Denkens" - wenn ich den Gebrauch des Verstandes einmal so umschreiben darf - aus vielen Feldern nehmen darf, und nicht nur dem fotographischen. (So gibt es auch bei youtube illustrative Beispiele.) Auf der anderen Seite gibt es nur wirklich wenig Sachgebiete, von denen ich etwas verstehe. "Da bin ich leider kein kompetenter Gesprächsparner!") Was zwangsläufig dazu führt, dass sich ein jeder seine Beispiele suchen muss. Beispiele, die nicht "besser" sind, wohl aber "für ihn besser" sind.
Im ersten Kapitel wird es denn auch um Relativität gehen. Genauer gesagt, um Bezugssysteme.
Im zweiten Kapitel werden einiges vorgestellt, was in Tannhaeuser nicht betrachtet wird. Es gilt, der Ablenkung vom Wesentlichen entgegen zu treten. - weil sie zumindest solange als Zeitverschwendung betrachtet werden, wie der Sachverhalt als solcher gar nicht klar ist. Was
Im dritten Kapitel werden einige Begriffe vorgestellt, die in Tannhaeuser in einer bestimmten Bedeutung verwendet werden.
Denn wir denken ja in Begriffen, und Begiffe stehen nicht allein für sich, sondern sind weit häufiger eingebunden in einen Bezugsrahmen mit anderen Begriffen. (Und verklärend als aufklärend.) Der Venushügel mag ja so bewaldet sehr prächtig sein, aber wenn wir dort das Tannhaeuser Tor vermuten, muss erst einmal die Vegetation (und ihre Überreste) von einigen hundert Jahren beiseite geräumt werden. Erst danach kann man die Grundzüge der Anlage vermessen und Schlüsse ziehen, tiefschürfendere Fragen vorbereiten Ich aber habe mich - und zwar mmer wieder - durch Begriffe in eine bestimmte Denkrichtung drängen lassen. Und wenn der knarrende Karren meiner Gedanken erst einmal in einer tiefgefurchten Spur öden Sandes dahinpolterte, war es schwer, den Karren aus der Spur zu heben und die Richtung auf fruchtbarer Gegenden einzuschlagen. Erst spät bemerke ich, dass es eigentlch bei jedem zu klärenden Sachverhalt darauf ankam, der Ablenkung vom Eigentlichen zu widerstehen. Und dies geht ganz gut dadurch, dass man sich für bestimmte Begriffe sensibilisiert. Und einen (oder verwandte) Begriff kann man sich eine Liste Definitionen oder/und "kleinerer" Fragen vorbereiten.
Wenn also etwa jemand mit tränenfeuchten Augen und erstickter Stimme etwas von "Freiheit" absondert, probiere ich es bevor ich selbst zum Taschentuch greife -- zunächt einmal mit folgender Definition.
Freedom’s just another word for nothing left to lose
Kris Kristofferson und Fred Foster (1969) Me and Bobby McGee
"Das habe ich zwar gemeint, aber sagen wollte ich das nicht."
Jetzt noch Freiheit wovon und Freiheit wozu?; das
verhilft doch schon zu klarerer Sicht. (Und wenn im Umfeld dann noch
von wir
und unser die Rede ist, fragt man vielleicht noch einmal
nach, wer denn seine Kumpels sind: Wessen Freiheit?, denn
als sicher darf angenommen werden, dasss man selbst nicht dazu
rechnet.) In den meisten Fällen ist die Suche nach Antwort
reine Zeitverschwendung; es empfieht sich statt dessen, die Toilette
rechtzeitig aufzusuchen.
Weder auf die Definitionen noch auf die Fragen im Einzelnen kommt es mir an; nur darauf, dass Sie sich eine Denkansatz verschaffen. Anscheinend wissen alle, was "links" bedeutet, nur ich nicht. Die einzig mir bekannte Definition lautet "Limks bedeutet anständi", was ja auch nicht viel weiter hilft. "Entmenschte bolschewistische Horde" bringt da schon weiter. Aber - ein jeder, wie er mag.
Schön nun, wenn es immer so einfach ginge. Nicht immer gibt es einen Ansatz zur Klärung der Gedanken so einfach. Interessant wir es erst dann, wenn mehrere Dinge miteinander in Bezeihung stehen; wenn Relativutät ins Spiel kommt.
Wer kennt das nicht: Man denkt so ganz harmlos vor sich hin, gewiss aber an Böses, und stösst (wird gestossen) auf ... "etwas".
Auf dem Antlitz Seelenruhe,
An den Füßen milde Schuhe,Wilhelm Busch Tobias Knopp Ängstlicher Übergang und friedlicher Schluß
Wenn’s denn der Wahrheitsfindung dient
Fritz Teufel bei wikipedia
Für mich gern etwas präsizer: Wenn's denn Ihnen hilft, bei bei der Wahrheitsfindung, bei der Auf- oder oder Begriffsklärung, was auch immer sonst, mir soll alles Recht sein. Was ich hier auf meine bekannt taktvolle norddeutsche Art andeute: Wenn's bei Ihnen mit den Zähnen nicht klappt - noch nicht oder schon nicht mehr - so tut es mir gewiss herzlich Leid. Jedoch leite ich hieraus keineswegs die Verpflichtung ab, ich hätte eine Bringschuld und müsste dem Kindhen (oder dem Greis) das Mahl so anrichten und so einlöffeln, dass es satt sein Bäuerchen und später noch anderes absondern kann. Zum Ende meiner Berufslaufbahn hatte ich es mit genügend ... Menschen männnlichen Geschlechts zu tun, die geplärrt und ähnlich Unverdautes von sich gegeben haben. Jetzt brauche ich das nicht mehr.
Die zur Wahrheit wandern,
Christian Morgenstern
wandern allein,
keiner kann dem andern
Wegbruder sein.Wir fanden einen Pfad Seite 18 (1914) bei wikisource
Schön wär's.
Gerade in Technik und Naturwissenschaft findet man schon "Wegbrüder", also Menschen, die dasselbe Ziel verfolgen, oder/und demselben Druck ausgesetzt sind.. Aber, am Ende des Tages, ist in der Tat jeder allein. Die Kumpels haben über Tag das serbelnde Ross zum Wasser getragen, aber saufen muss es nun alleine. Wenn man Glück hat. Weniger Idyllisch, aber häufiger ist es, dass der (oder schlimmer noch die) Wegbrüder gerade Pause machen wollten, ein Abkürzung wussten oder sonstwie die Konzentration beansprucht, die für das auf das Eigentliche nun eben nicht zur Verfügung steht.
„Gehe niemals von Böswilligkeit aus, wenn Dummheit ausreichend ist.“
Hanlon’s Razor bei wikipedia
Meine Folgerung ist, dass schon die Frage nach Dumm oder bösartig? Zeitverschwendung ist. Ein typischer Vertreter des Un-eigentlichen. Nun nichts gegen Zeitverschwendung als solche, aber dabei ziehe ich doch die Gesellschft von netten Menschen vor. Zwar ist Bösartigkeit wie Dummheit ansteckend. Aber: Zeit kann man nur einmal verwenden. Und an unserem Erkenntnisstand hat sich, zwischenzeitlich, nichts geändert. Solange man das weiss und in Rechnung stellt, ist daran auch nichts Schlimmes.
Generell geht es bei Tannhaeuser darum, das Wichige zu benennen.Und in dem ersten Kapiel über das, was man ganz sicher beiseite schieben kann, ja beseite schieben muss. Um Recht und Unrecht, Schuld und Sühne, muss man sich solange nicht kümmern, wie der Sachverhalt als solcher noch nicht geklärt ist. Es geht um die zeitliche Ab- und Reihenfolbe, was erstens, zweitens drittens käm. (Gerade im deutschen Sprachraum bemerke ich häufig, dass da was durcheinander gerät. Wenn man weiss, wer s
Schuld hat, muss man sich ja gar nicht daum kümmern, was eigentlich schief gegangen ist. (Und was man tun kann, um für die Zukunft mehr daraus zu lernen als dass man selber es geschickter anstellen muss.)
Einige seiner Texte nehmen parodistisch die ernste Minnedichtung auf den Arm, sind stark in der Selbstironie und enthalten burschikose Strophen, die an Studentenlieder erinnern. Seine Lieder handeln von Abenteuern, Sagen und Helden, sind durchsetzt mit gelehrtem Unsinn und tollen Fremdwörtern.
Tannhäuser bei wikipedia
Im Laufe der Zeit bin ich auf Zitate getroffen - genauer wohl, von ihnen getroffen worden, - die mir weitergeholfen haben. Eigentlich besteht Tannhaeusers Tor nur aus Zitaten; Felsbrocken, aufeinander gestapelt und verbunden durch eine dünne Schicht Text ... ähhhh ... Mörtel notdürftig miteinander verbunden. Es braucht also niemand zu fürchten, hier originäre oder gar originelle Gedanken vorzufinden. Auch für das leicht und angenehm ist somit gesorgt: Denn wenn selbst ich es verstehe, wird es für jeden anderen ja unmittelbar eingängig sein. Darüber also muss ich mir keine Sorgen machen.
Er sagt es klar und angenehm,
Was erstens, zweitens und drittens käm.Wilhelm Busch Bilder zur Jobsiade (1872) - Kapitel 5
Nein, der eigentliche Haken liegt woanders im Busch. Das erstens, zweitens und dritten ist es, was dieses Tor zur Baustelle macht. Alles hängt mit Allem zusammen! ist auf den ersten Blick eine Binse, aber hier soll es in in eine Reihen- und Ab-Folge gebracht werden. Es zeigt sich eben immer wieder, dass eine andere Reihenfolge besser zu lesen, einfacher zu bergreifen, besser zu kritisieren, leichter um- und auszubauen ist. Und ein Tor ist auf einem soliden Fundament besser zu errichten - und das heisst in der Praxis, dass man als sinnvoll oder gar notwendig erkannte Änderungen besser frühzeitig vornimmt; dieses als Dringend einstufft.Was dann zur Folge hat, dass schon scheinbar Fertiges wieder herausgerissen werden muss. (In der obigen Begriffswelt: Wichtig hingegen ist, dass die durch die Verbesserung möglichen Löschungen auch wirklich vorgenommen werden. Was wiederum zeigt, dass die zeitliche Abfolge eine Bedeutung hat.)
Es zeigt sich hier imKleinen, was ein Grösserer schon für das Ganze erkannt hat: Es ist Zeitverschwendung, etwas allein(!) für sich zu betrachten. Nur in einem Bezugsrahmen, nur in (einem) Verhältnis zu etwas anderem ist eine uns weiter führende Betrachtung sinnvoll. Nach einhundert Jahren Allemeine Relativitätstheorie wird das ja auch Zeit. (nun nicht, dass es bei der breiteren Öffentlichkeit interessiert hätte.)
Mr Kubrick! Herr Kapellmeister! Musik bitte! Die blaue Donau!
Der eine, Zenon von Elea , lebte etwa 490 v. Chr. bis 430 v. Chr. - seine Erkenntnisse sind also total veraltet, insbesondere der Schöne Satz "Ich lüge!" Wir wissen es heute besser! Auch der andere, Kurt Friedrich Gödel , ist bereits tot. Ihm schreibe ich den Ausruf "Mit der Selbstbezüglichkeit gibt es auch nix wie Ärger!" zu. Dieser Aussage, der sogenannnte Gödelsche Unvollständigkeitssatz , findet noch heute in leicht abgewndelter Form bei wikipedia.
Ein Untergang zum Anfang - Eigentlich, drindgend und Wichtig
Zur filmischen Illustration betrachte man den Leitenden Ingenieur im Film Das Boot (hier Teil 2/3 bei youtube, etwa ab 1:30. Irgend ein Chef hat eine Idee, das geht krachend schief, das Boot samt Besatzung geht zu Grunde (hier 280 Meter), der Liebe Gott kommt ins Spiel ("Der Liebe Gott hat uns eine Schaufel Sand unter den Kiel geschmissen!") , der aber lässt seiner nicht spotten ... "Wassereinbruch!".
Nach meiner Erfahrung ist es ein hilreicher Ansatz, einen Satz mit "eigentlich" zu formulieren - Was will er eigentlich? Worum geht es eigentlich? - das dabei das "Eigentlich" zu betonen; Was bedeutet das - eigentlich?. Um Klärung, - ja, vielleicht sogar Aufklärung - zu erlangen, ist es zuerst eine Begriffswelt notwenig.
[ ... ] Anhand der Kriterien Wichtigkeit (wichtig/nicht wichtig) und Dringlichkeit (dringend/nicht dringend) gibt es vier Kombinationsmöglichkeiten. [ ... ] Grundlage der Kritik ist u. a. die Erkenntnis, dass wichtige Aufgaben selten dringend und dringende Aufgaben selten wichtig sind.
Für mich als KLV-Geplagter (Kinder, Laien, Vorstände) ist ein überwölbender Begriff - zur Bezeichnung des In-diesem-Zusammenhang-Weder-dringend-noch-wichtig - notwendig erwiesen, für Tannhauser dies Eigentlich sein.
Als Oberbegriff: Es gibt das Eigentliche (und somit das Un-Eigentliche);
und als Eigentliche wiederum zerfällt in die Unterbegriffe Eigentlich-Dringend und
Eigentlich-Wichtig.
Wobei das Dringende niemals wichtig und das Wichtige niemals dringend ist.
Einer Hausfrau und Mutter wird eine solche Aufteilung vertraut und unmittelbar eingängig sein; lediglich das Bedürfnis danach, Selbstverständliches kompliziert auszudrücken, wird ihr fremd sein. Unglücklicherweise aber wurde mein Berufsleben nicht von robusten Praktikern, sondern von Romantikern geprägt. Will sagen: Von Leuten, die sich von Begriffen beherrschen lassen. Die glauben, die Wirklichkeit wäre schon dann geändert, wenn die Begriffe sich ändern, mit deren sie über die Realität reden. Aber Dunkle, Warme, Verschwiemelde bringt uns der Wahrheit nicht näher. Ordnung herrsch; Ordnung muss dienen.
In diesem Filmbeispiel ist das Dringende natürlich der Wassereinbruch,
was auch alle begreifen und entsprechend hektisch arbeiten,
während sich der Chef um das Wichtige kümmert - "Ich
verlange ordentliche Meldungen, verdammt noch mal!".
Und wer wird bestreiten, dass anständige Meldungen wichtig sind!
Wie sonst könnten die Unfähigen, die Untergebenen angeleitet
werden! Na ja, Spass beiseite. Immerhin muss auch der
Ubootsskapitän zugeben, dass wichtiger als die schönsten
Torpedos, das Stück für 25.000 Mark!" (1:42) in
bestimmten Situationen eben doch ein Stück Draht für fünfzig
Pfennig ist. Man sollte vielleicht jetzt klären, ob die Torpedos
zu teuer sind, und ob die überhaupt wichtig sind, oder ...
Es endet diese Sequenz bei 1:43 mit der Meldung "Wassereinbruch
gestopp!"; eine Neuverteilung der Prioritäten ist vorzunehmen;
überlassen wir den LI seinem Schicksal. Was ich mit der Auswahl
dieser Szene illustrieren will: Die Beurteilung auf Dringend und
Wichtig ist eben nicht newtonsch absolut, sondern einsteinisch
relativ. Und wer sich nicht einmal gedanklich um eine
Begriffs-Klärung (und Begriffs-Ordnung) bemüht, wird zu einer
Aufklärung sicher nicht kommen.
Welch ein Glück, dass Tannnhäuser als Sänger Spezialist im Auftürmen emotional aufgeladener Worte gewesen ist! Dem es also weniger auf die Worte als solche ankam, als vielmehr auf den Eindruck, den die Gesamtheit des (in Zeilen, Reime, Strophen auch noch formal wohl Gestalteten) hervorrief. So auch hier, in seinem Tor. Es geht nicht darum, eine (eine im Sinne von genau eine oder diese eine und sonst keine) zu erschaffen, der alle Welt sich dann anpassen soll. Nein, ein jeder ist herzlich eingeladen, sich seine eigene Terminologie zu schaffen, die ihm besser behagt. Wenn es statt "eigentlich" lieber "wesentlich", relevant" oder "naheliegend" (samt Gegenpart "Un-") sein soll - na schön, dann bitte gern. (Als Mann kann man, genügend devot und ratlos, eine Dame schon einmal "Ich komme nicht dahiner. Worum geht es denn - eigentlich?" fragen. Nur die Mutigsten unter uns aber würden hier "wesentlich" verwenden. Auch gegen die Verwendung eher abstrakter Begriffe ("Ähh?") habe ich persönlich nix. Tannhaeuser hat ja auch seinem Publikum ein Angebot gemacht - und war es gewohnt, dass für dieses andere Aufgaben dringender (drängender?) waren - wenigstens zeitweise.